Paul und Katharina Dormann-Muff
Ein währschaftes Bauernpaar

Auf dem idyllischen Friedhofe Bertenswil ruhen die ehrsamen Bauersleute Paul Dormann und seine Gemahlin Katharina geb. Muff ab dem Riedhofe, Rothenburg; als währschafte Bauersleute wollen wir kurz ein Lebensbild zeichnen, das für viele ein Beispiel sein mag.

Am 09. Dezember 1914 hat Paul Dormann seine Seele ausgehaucht, während ihm seine Frau schon im Februar 1910 im Tode vorausgegangen ist. Vater Dormann wurde 85 Jahre alt und seine Frau erreichte das schöne Alter von zirka 80 Jahren. 47 Jahre haben sie miteinander im Ehestande gelebt, gearbeitet und Freud und Leid geteilt. Ein gutes, braves Bauernpaar, treu besorgte Eltern, haben das Zeitliche gesegnet.
Herr Dormann war geboren 1829 in Hochdorf, heimatrechtig in Gunzwil, kam dann mit seinen Eltern auf ein kleines Heimwesen nach Grosswangen, als Lehensleute. Als zweitältester Sohn der 12-köpfigen Familie musste er von Jugend auf sich an die harte Arbeit gewöhnen, frühzeitig dienen, fremdes Brot essen und auf diese Weise mithelfen, die grosse Familie durchzubringen; er diente als gemeiner Knecht , wurde später Meisterknecht und schätzte sich glücklich bei einem Jahreslohn von 6 Napoleon, sage 120 Franken. Er erzählte oft von jener Zeit , wie damals gespart werden musste, wie einfach Lebensweise und Kleidung waren, wie alles von Hand gemacht werden musste, da man die Maschinenarbeit noch nicht kannte, und des Sonntags war man daheim, im Wirtshaus musste man damals keinen Knecht suchen. Alles huldigte dem Grundsatze: „Arbeit und Sparen macht reiche Knechte“.
Wie ganz anders ist es doch heute? Man möchte sagen, gerade umgekehrt. In der freien Zeit sind die Wirtschaften von Arbeitern gefüllt und es ist unbegreiflich, wie so viele Dienstboten so leichten Herzens dahinleben. Glauben jene vielleicht, der Staat und die Gemeinden seine immer bereit zum Helfen. Bis jetzt wurde dem Mitleidsgefühl in weitgehendem Masse entsprochen. Sollte aber der ausgebrochene Krieg über uns kommen oder müsste eine Hungersnot etc. entstehen, welche Not und welches Elend müsste es mit der Zeit geben, wenn durch Verdienstlosigkeit die Gemeinden verarmen würden. Das Humanitätsgeschrei ertönte dann vergebens. Deshalb spare in der Zeit, so hast du in der Not. Das alles hat Vater Dormann nie besser als in den vierziger Jahren kennen gelernt.
Vater Dormann erzählte oft: Auch in den siebziger Jahren war es schwer, etwas zu erkämpfen. Dazumal war der Getreidebau ganz unrentabel geworden; eine ganze Umwälzung der landwirtschaftlichen Betriebsweise ging vor sich. Man musste, weil Milch und Käse teuer und gesucht waren, zur Milchwirtschaft und Nutzviehzucht übergehen, und wer es nicht glauben wollte, musste es bitter fühlen. Mit einer anderen Depression kamen dann wieder die Achtziger Jahre. Wegen zu grosser Überproduktion an Milch ging diese im Preise bis auf 9 Cts. pro Liter zurück. Die Milchwirtschaft war sodann mehrere Jahre unrentabel; der Getreidebau war nicht besser, und so kam es, das viele Bauern Haus und Hof verlieren mussten. Mit angestrengter Arbeit und einfacher Lebensweise, sowie durch Wohlwollen der Mitmenschen ist es der Familie Dormann gelungen, die drei kritischen Epochen siegreich zu überwinden.
Nachdem die anderen Geschwister herangewachsen waren, übernahm Paul Dormann mit ihnen das Heimwesen Untereiig in der Gemeinde Ruswil in Pacht, verehelichte sich nach einigen Jahren mit der Jungfrau Katharina Muff (1863). Er übernahm dann das Heimwesen allein, gab nach Ablauf der Lehenszeit die Pacht auf, kam dann mehrere Jahre als Pächter auf verschiedene Liegenschaften, so auch 1888 auf den 118 Jucharten grossen, schönen Riedhof. Nachdem nun die Familie Dormann diesen Hof fünf Jahre in Pacht bewirtschaftet hatte, konnte sie ihn von Grossrat Greter sel. in Dierikon als Eigentum erwerben. Die sechs stämmigen Söhne und vier Töchter, die inzwischen zu brauchbaren Leuten herangewachsen waren, bewirtschafteten sozusagen die Liegenschaft alleine, so lange bis eines nach dem anderen durch das Band der Ehe der Heimat entzogen wurde. Die Grosseltern Dormann nahmen es ernst mit ihren Elternpflichten, und alle zehn Kinder ohne Ausnahme konnten gut erzogen werden. Ein fleissiger Hausvater schafft hurtiges Gesinde; so habe sie es auch verstanden, ihre Söhne und Töchter als währschafte Bauersleute heranzuziehen. Durch gemeinsames Zusammenarbeiten und durch wohlüberlegte Wirtschaftsweise erblühten auf dem Riedhofe bald Glück und Wohlstand. Gemeinnützigen Unternehmungen standen sie ermuntern gegenüber; auch die Vorteile des genossenschaftlichen Warenbezuges wurden wahrgenommen, und als Mitglied des landwirtschaftlichen Ostsvereins nahmen dann ihre Söhne eine führende Stellung ein.
Durch das Alter gebeugt, suchten sich die Eltern einen angenehmen Lebensabend zu verschaffen. Ums Jahr 1898 überliessen sie die Liegenschaft ihren Söhnen. Von diesen liess einer nach dem andern sich loskaufen, bis schliesslich 1902 Hans allein den schönen Hof übernahm. Unterdessen wuchsen die Familien ihrer Kinder, und es war ein höchster Stolz und ihre grosse Freude, Eltern von 43 Enkelkindern zu sein. In der Öffentlichkeit liessen die Grosseltern nichts von sich hören. Prozesse waren ihnen fremd, und Streitigkeiten suchten sie stets so bald als möglich zu schlichten. Zu Hause gönnten sie sich gerne eine fröhliche Unterhaltung, und es war deshalb eigentümlich, wie zugetan ihnen ihre Angehörigen bis ins hohe Alter waren.
In den Groseltern Dormann hatten wir schlichte, zurückgezogene Bauersleute, tüchtige Arbeiter und stille Wohltäter, die es noch verstand haben, es zum Wohlstand zu bringe und trotz ihrer Einfachheit und Arbeitsamkeit alt geworden sind. Gut gerüstet und wohl vorbereitet sind sie von uns geschieden. Die grosse Teilnahme bei den Begräbnisfeiern war ein sprechender Beweis, welch grossen Ansehens und welcher Beliebtheit sich diese erfreuten.
Ihr Andenken sei ein gesegnetes.

Quelle:
Der Landwirt, Organ des Bauernvereins des Kantons Luzern, 15. Januar 1915